Annas leben

Anna Pröll wurde am 12. Juni 1916 in der Augsburger Straße 5 in Augsburg geboren. Sie lernte den Beruf der Verkäuferin.
Ihr Vater Karl Nolan war, wie so viele andere auch, als Soldat im ersten Weltkrieg und zu dieser Zeit nicht politisch aktiv. Durch fürchterliche Erlebnisse im Schützengraben in Frankreich kehrte er als Kriegsgegner zurück und engagierte sich bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot, für den Frieden.

 

Im Augsburger Stadtteil Pfersee war er durch seine sportlichen Aktivitäten sehr bekannt. Er war Mitglied einer Kraftsportgruppe. Als er erkannte, dass die Politik Hitlers zum Krieg führen musste, verteilte er Flugblätter und beteiligte sich an Theaterstücken und Vorlesungen gegen den Krieg.

Nach langen Diskussionen in der Familie, deren Mitglieder zum Großteil SPD-Anhänger waren, schloß er sich der Augsburger KPD an.

Ohne dass er es zunächst bemerkte, gab er einem Soldaten, der keine Uniform trug, ein Flugblatt.

Karl Nolan erhielt eine Anzeige wegen "Wehrkraftzersetzung" und wurde schon 1932 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

 

Die Mutter von Anna, Rosa Nolan, war parteilos und wurde nach dem Januar 1933 ebenfalls verhaftet und kam in das Augsburger Untersuchungsgefängnis "Katzenstadel".

 

Die Werkswohnung wurde durch die Behörden geräumt - das Inventar wurde bei Regen einfach auf die Straße gestellt. Nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit wurde beiden gekündigt. Sie waren in der Spinnerei- und Weberei Pfersee beschäftigt. Karl war Webmeister.

 

Karl Nolan wurde, nachdem er seine einjährige Haft verbüßt hatte, erneut verhaftet.

Anna hatte in Augsburg eine Widerstandsgruppe aufgebaut und war in den kommunistischen Jugendverband eingetreten. Annas Gruppe verteilte nachts Flugblätter und Zeitschriften gegen die Nazis und schrieb Parolen an Litfaßsäulen und Häuserwände.

Bei einer Razzia in der Wertachvorstadt wurde auch sie verhaftet. "Ein Mädchen die Seele des Ganzen" stand am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen. Ihr Vater Karl und Anna, die gerade 17 Jahre alt war, bekamen Zuchthausstrafen wegen "Vorbereitung zum Hochverrat".

 

Nach 21 Monaten Einzelhaft im Aichacher Gefängnis wurde sie ins Frauen-KZ Moringen eingeliefert. Im Frühjahr 1937 besuchte Heinrich Himmler das Konzentrationslager Moringen. Die Frauen mussten antreten und Fragen beantworten. Er beschimpfte sie auf das Fürchterlichste. Er fragte Anna, was sie denn nun zum dritten Reich zu sagen hätte. Anna antwortete ihm, dass sie es nur von der schlechtesten Seite kennengelernt habe.

Trotzdem wurde sie entlassen - weil sie blaue Augen und blonde Haare hatte.

Anna war im Konzentrationslager Moringen die Jüngste. Nur durch die Solidarität der anderen Frauen, die ihr immer wieder Essen zusteckten und auf sie besonders achteten, hat sie Moringen überlebt.

 

Ihr Vater Karl Nolan war inzwischen im KZ Dachau ermordet worden.

 

 In Augsburg muss sich Anna jeden zweiten Tag bei der Polizei melden.

Obwohl ihr Privatleben von nun an ständig überwacht wurde, verlobte sie sich mit Josef Pröll. Er hatte, wie sie, schon einige Jahre KZ-Haft hinter sich. Trotz der Drohung der Augsburger GESTAPO, dass sie die beiden Familien Nolan und Pröll "ausrotten" werden - heirateten beide, zunächst ohne das Wissen der Behörden.

Im gleichen Jahr, als ihr erster Sohn geboren wurde, schlug die GESTAPO Augsburg wieder zu: Bei Kriegsausbruch, am 01. September 1939 wurde Josef Pröll wieder verhaftet. Er überlebte die Konzentrationslager Dachau, Natzweiler (Frankreich) und Buchenwald. Immer war er Mitglied der internationalen Widerstandbewegung in den Lagern.

In Buchenwald erlebte er, als bewaffneter Häftling, die Befreiung.

 

Unmittelbar nach der Befreiung der Menschen aus den Konzentrationslagern wandte sich Anna Pröll ehrenamtlichen sozialen Aufgaben zu und half in Not geratenen Menschen, die durch die Bombenangriffe alles verloren hatten. In Oberhausen gründete sie mit anderen sozial engagierten Frauen eine Nähstube, die Kinder und Jugendliche mit Kleidung versorgte.

Ab Oktober 1945 gehörte sie dem Augsburger "Stadtbeirat" an, der von der amerikanischen Militärregierung eingesetzt war. Der Stadtbeirat war das Vorgängergremium des Stadtrates.

 

Die deutsche Bevölkerung machte es den ehemaligen KZ-Häftlingen sehr schwer. Sie wurden über viele Jahre nicht wieder eingegliedert und als "Netzbeschmutzer" angesehen.

In Augsburg war es schwer, eine Wohnung zu bekommen oder Arbeit zu finden. Deshalb zogen sie nach Gersthofen. Anna musste aufgrund des Umzugs ihr Stadtratsmandat aufgeben.

 

Bis ins hohe Alter betreute sie zusammen mit ihrem Mann Josef über zwanzig ehemalige Augsburger Häftlinge und Opfer aus der Zeit des Nationalsozialismus.

1984 starb Josef Pröll.

1985 begann Anna Pröll, vor unterschiedlichen Gruppen, vor allem aber in Schulen, über ihr Leben und die Geschichte ihrer Familie und ihrer Freunde aus dem Widerstand zu berichten. Sie wurde eine gefragte Zeitzeugin.

 

Am 28. Februar 2002 fand die Uraufführung des Dokumentarfilms "Anna ich hab Angst um dich" im Augsburger CinemaxX statt. 580 Besucher nahmen an der Filmpremiere teil. Ihre Lebensgeschichte wurde bekannt - weit über die Grenzen Augsburgs hinaus.

 

Am 10. September 2002 wurde Anna Pröll in der Bayerischen Staatskanzlei von dem damaligen bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bis dahin hatte die Stadt Augsburg ihr eine Ehrung verweigert.

 

 

Obwohl der damalige Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Gernot Römer und die Historikerin Annette Eberle bereits zu Annas 80. Geburtstag eine Auszeichnung als Ehrenbürgerin der Stadt Augsburg vorschlugen, wurde sie erst im Jahr 2003 durch den Oberbürgermeister Paul Wengert (SPD) ausgezeichnet. Sie war nach 215 Jahren wieder die erste Frau, die mit der Ehrenbürgerwürde bedacht wurde.

 

Am 28. Mai 2006 ist Anna Pröll in Augsburg verstorben.

Gedenkstätte KZ-Moringen

Im März 2017 wurde der neue Ausstellungsraum der KZ-Gedenkstätte Moringen feierlich eröffnet. Dieser Raum befindet sich am Eingang des ehemaligen Konzentrationslagers das sich in der Mitte der Kleinstadt befand. Heute ist es eine Strafvollzugsanstalt.

Im neuen Ausstellungsraum sind Kurzbiografien von Häftlingen des KZ-Moringen dargestellt.

Auch die Kultusministerin Niedersachsens (bis 2017), Frau Frauke Heiligenstadt war bei der Ausstellungseröffnung des neuen Ausstellungsraumes dabei.



 

 

 

 

Am 01. November 2008 wurde an dem Geburtshaus von Anna Pröll
eine Gedenktafel für sie angebracht.

"Eigentlich möchte ich lieber schweigen. Es gibt zu wenig Worte in unserer deutschen Sprache, die all das Leid wiedergeben können."